Inner Spaces Interview von Ania Gleich mit Saar, Wien, 2022
Die Ausstellung nennt sich „Inner Spaces“. Was sind denn für dich deine „Inner Spaces“?
Erzsebet Nagy Saar: Die ganze „Inner Spaces“ Serie ist in der Pandemie entstanden. Das hat mit uns allen was gemacht. Es war ein ziemlicher Automatismus, sich in dieser Zeit in sich selbst zu vertiefen. Das war zwar oft auch anstrengend, aber schlussendlich bin ich sehr dankbar, dass diese Serie entstanden ist. Im Gegensatz zu den „Wandlungen“, habe ich mich hier aber durchaus zurückgehalten, was die Farben betrifft. Die Bilder beschränken sich ja auf einzelne Farben und sind eben nicht komplett bunt. Aber es entspricht meinem Prinzip, aus der Tiefe Formen in die Formlosigkeit zu bringen.
Welche Bedeutung haben denn Farben in deinen Bildern?
Am wichtigsten ist für mich der Bezug zur Natur. Das bisschen Stück Himmel vor meinem Fenster ist für mich lebensnotwendig, genauso wie die paar Bäume. Ich glaube diese Verbindung spiegelt sich in meiner Arbeit und auch den Farben wider. Wenn ich nicht aufs Grüne und das kleine Stück blauen Himmel schauen würde, in dem man manchmal sogar partiell den Vollmond sehen kann, würde ich dort nicht wohnen. Ich genieße diese Ruhe. Und dann male ich und schaue ... und male.
Die „Innere Spaces“, sind damit gewissermaßen Reflexionen von „Outer Spaces“, oder?
Beides. Es gibt sowieso eine ständige Verbindung, zwischen dem, was in mir ist und was mich umgibt.
Durch das Pandemie-bedingte viele Allein-zu-hause-herumsitzen haben wir gesehen, wie der Dialog, mit der Welt immer in uns arbeitet.
Bei mir ist es eigentlich so, dass ich oft gar keinen Mensch sehen will. Manchmal sperre ich mich tagelang ein aber wenn ich es muss, ist es furchtbar! Solange ich es freiwillig machen kann ist es meine menschliche Freiheit zu sagen: Ich will gerade Menschen sehen oder eben nicht.
Das ist ein Glück wenn man sich das aussuchen kann.
Mein Handy ist immer lautlos, das ist für mich der größte Luxus in meinem Leben. Aber ich spüre, wenn mir jemand schreibt beziehungsweise bin ich für mein Kinder sowieso immer zu erreichen. Aber wenn ich arbeite, bin ich weg. Da erreicht mich niemand. Meine Freunde wissen das. Das ist eben auch ein Aspekt dieser Freiheit.
Es ist trotzdem wichtig zu sagen, dass das ein Luxus für uns ist. Aber gerade deswegen ist es toll, dass du diese Bilder gemalt hast – vielleicht sind für die Menschen auch ein Medium, um sich Freiheit auch dann zu holen, wenn sie sich nicht von der Außenwelt entziehen können.
Weißt du: Da geht es um Verantwortung! Verantwortung über sich selbst Entscheidungen zu treffen: Zu machen, was du willst und sich diesen Luxus jahrzehntelang zu erarbeiten, um ihn dann nicht nur wirklich zu schätzen, sondern eben auch aus ihm heraus Kraft für andere zu schöpfen, die ihn vielleicht noch nicht haben – Und das passiert nicht so schnell! Ich kenne so viele Menschen, die teilweise drei Jobs machen. Ich glaube je älter man wird, desto reifer wird man und nimmt sich dieses Leben einfach, das man will. Wenn du eine Leidenschaft hast, die du nicht lassen kannst, dann lässt es einen auch nicht locker. Ich kenne einige Menschen, die doppelt Karriere machen. Und ich bewundere diese Menschen wahnsinnig. Ich kann nur eine Sache und habe mich für diese eine Sache bewusst entschieden: Nur da möchte ich da sein.
Wie würdest du die Freiheit und Verantwortung, von der du spricht durch deine Bildsprache beschreiben?
Ganz einfach: Indem ich Farben auf die Leinwand bringe. Das ist für mich die Freiheit.
Für mich haben deine Bilder so einen fließenden Charakter, der dennoch irgendwie etwas aufbaut. Figurativ gesprochen: Es ist eine assoziative Mischung aus Flüssen und Bergen.
Das ist wohl eine gewisse Form der Sehnsucht, die hier eingeflossen ist und mir nicht bewusst war. Das ist das erste Bild, das entstanden ist. Da findet auch eine Art Wandlung statt. Ich bin mein ganzes Leben wirklich viel gereist und das waren teils unglaubliche Reisen. Gleichzeitig war ich in den ärgsten Bergen: Nepal, Butan oder China aber das ist deswegen trotzdem nicht mein „Thema“, trotzdem ist es wohl irgendwie hineingeflossen.
Es ist ja auch eine Freiheit, sich von solchen Konzepten loszureißen.
Ich könnte z.B. niemals „Berge“ malen - Das ist unmöglich. Für mich sind das alles Formen in der Formlosigkeit. Hier verbindet sich die Natur mit der Malerei. Das ist für mich die einzige Wahrheit! Anders als indem ich male, könnte ich das nicht ausdrücken. Für mich ist das der alleinige Weg. Alle Worte wären dafür unpassend.
Deswegen haben wir ja die Malerei! Einer der freisten Zugänge zur Welt geschieht durch das
Sehen. Als das direkteste und intuitive Sinn-Erleben. Worte sind schon Konzepte.
Das ist der Grund, warum ich aufhörte figurativ zu malen. Früher habe ich ja richtig altmeisterlich gemalt und es so gelernt. Das war für mich keine Freiheit. Es ist völlig geplant und geht nur nach Konzepten. Das bin nicht ich und ist mir viel zu langweilig.
Das ist auch ganz neu [gehen zu Velur-Serie]: Velur auf auf Holz kaschiert. Das war komplett spontanes, erfinderisches, selbst-mit-mir-herumexperimentieren - Wahnsinnig viel Arbeit, die schlussendlich so super simpel aussieht. Trotzdem ist es einfach ... passiert! Da sind Farben geflossen, von denen ich dann Ausschnitte gemacht hab und so das Papier auf Holz kaschiert habe und die Folien, die drauf sind, die sind auch einfach so entstanden! Egal, was was ich im Atelier mache - ich denke mir immer: Es kommt zwar „einfach so“ aber irgendeinen Sinn muss es haben. Eine Verbindung zur „Welt“ findet trotz der Spontanität immer statt.
Kunst bewegt sich immer auf der Schwelle von der Welt und dem Noch-nicht-Erfassten. Und wenn du sagst „es passiert einfach“ aber trotzdem komplexe Techniken dafür erlernen musst, arbeitest du gewissermaßen auch auf dieser Schwelle. Wie kommst du zu deiner Spontanität?
Das ist wirklich sehr schwierig und erfordert viel Übung. Dabei vergisst man immer zu erwähnen, wie viel man auch an Arbeiten „aufgibt“ oder wegschmeißt. Aber ich hab nie aufgegeben, bis ich das hatte, was ich wollte. Aber es war ein harter Weg.
Deswegen finde ich es ja so ironisch, dass du sagst „es passiert einfach“. Wie kommst du in den „Flow“?
Am meisten durch das simple sehen und spüren, das immer wieder sich selbst fragen: Wie fühlt sich das an, was du machst? Gut oder nicht gut? Das erfordert alles! Bei solchen Misch-Techniken, kannst du auch nichts mehr ausbessern. Ein Bild kannst du übermalen, aber das kannst du nicht übermalen. Du müsstest alles komplett zerstören. Ohne Hingabe funktioniert das nicht. Und es ist auch eine Übungssache zu wissen, wann man aufhören sollte.
Wie fühlt sich der Moment an, wo du sagst: „Jetzt bin ich fertig“?
Das kommt auch plötzlich und passiert einfach.
Deine „Wandlungen“ sind ja ziemlich kontrastreich im Vergleich zu den „Inner Spaces“. Wie war da dein Mal-Gefühl?
Die „Wandlungen“-Serie war schon 2020 ausgestellt. Da hatte ich im Salon meine Solo- Ausstellung. Dominant waren da natürlich dieses Blau, das Grün und das Gelb – Das sind einfach auch meine Farben. Und natürlich standen da Landschafts-Ideen im Vordergrund.
Würdest du also sagen du hast beim Malen an Landschaften gedacht?
Das sind definitiv Landschaften. Für mich sogar eindeutig. Da kann ich nur sagen: Hier ist die Natur, das Reisen und die Sehnsucht danach direkt eingeflossen.
Man wird in eine Tiefe hineingezogen. Während „Inner Spaces“ eher etwas Treibendes hat.
Da ist viel passiert dazwischen in dem einen Jahr – Gott sei Dank! Es ist ja lustig, aber ich weiß eben nicht, warum ich das Bild "Stormy Changes" genannt hab, wo doch erst danach einige „Stormy Changes“ passiert sind. Vermutlich unbewusst?
Warum die englischen Titel?
Weil ich schon in so vielen Ländern gelebt habe! Ich mache schon auch deutsche Titel, es kommt immer drauf an, was ich ausdrücken will. „Inner Spaces“ etwa ist knapp aber sagt ganz genau, worum es geht. Das ist eines meiner absoluten Lieblingsbilder, es heißt "Outrenoir" Ich hab mich zu der Zeit sehr viel mit Pierre Soulages auseinandergesetzt, sowohl mit seiner Arbeit als auch seinem ganzen Werdegang. Das hat mich fasziniert. Dazu kommt, dass ich ja wahnsinnig gerne schwarz trage. Da fühle ich mich sicher. Und wenn ich ein Bild auf eine Leinwand male, dann denke ich mir oft: Am liebsten würde ich es anziehen! In diesem Falle hatte ich wirklich vor eine zweite Haut für mich zu malen. Allein durch die ganze Struktur in der Farbe: Das fühlt sich an wie eine Haut! Da sind ja wahnsinnig viele Schichten auf diesem Bild. Ich trage ja ständig neue Farbschichten auf und ziehe sie aber auch wieder mit einer Spachtel hinunter. Vor allem bei den Wandlungen: Das sind teils wirklich zehn Schichten. Wenn man seine eigene Arbeit etwas kennt, weiß man auch, wann der richtige Zeitpunkt ist, das zu tun. Da kann man vieles erahnen. Das Spannende, ist dieser ganze Prozess.
Die größte Herausforderung ist eigentlich nur, wenn du da gerade drinnen bist und dich jemand ablenkt. Also außer meine Kinder - Bei denen ist das Gegenteil: Die inspirieren mich, weil sie mich belassen! Aber in einem öffentlichen Raum wo ständig Menschen kommen, könnte ich nicht klar kommen. Mit Menschen, denen ich vertraue: Da kann ich mich vertiefen. Da kann ein Erdbeben kommen, das ist völlig wurscht.
Es gibt Menschen, die kennst du fünf Minuten und weißt: Die gehen oder eben nicht. Und dann gibst einfach Menschen, die sofort mit dir clashen. So ist das halt. Das sind menschliche Dynamiken.
Es gibt alles! Ein Bild möchte ich dir noch zeigen. Und zwar "Shape" – Das ist durch Kenneth Noland inspiriert. Da habe ich versucht meine Arbeit mit seinem Stil zu verbinden Das war genauso schwierig wie die Velours-Serie.
Von allen Bildern, finde ich ist es das, wo man ein bisschen den Kampf sieht. Ich finde aber, das ist nichts schlechtes.
Es ist ja irgendwie immer ein Kampf auch wenn man gar nicht kämpfen will. man darf nur nie aufgeben!
Ich finde es richtig und wichtig so zu denken!
Malen ist wie eine Revolution, die in dir stattfindet.
Inner Spaces
Galerie Amart Austrian Modern Art