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Eröffnungsrede von Benedikt Mairwöger in der Galerie Amart 2024

Im Umfeld von Ernst Fuchs ausgebildet, beginnt Saar mit figurativen Werken, deren Gehalt noch deutlich von dem phantastischen Realisten Ernst Fuchs beeinflusst ist; im Gegensatz zu Fuchs, verarbeitet Saar nie mythologische oder religiöse Themen, geschweige denn aufreizende erotische Darstellungen in ihren Bildern.

 

Die Menschen stehen bei ihr im Mittelpunkt, besonders interessieren sie die Gesichter: Neben außerordentlich präzisen, feinen und überaus sorgfältig kolorierten Porträts, schafft sie auch großformatige Bilder, die in ihrem Aufbau Assemblagen gleichkommen; 

 

Gesichter, eingebettet in Texturen und Farbflächen. Rückblickend wirken diese frühen Werke von Saar wie ein Erkunden der eigenen Möglichkeiten, bis sie 2015 beschließt, sich der Abstraktion mit für sie ganz neuen Malmitteln, Fragestellungen und Bildlösungsmöglichkeiten, zuzuwenden.

 

Eine so drastische Neuerung wie die abstrakte Kunst hätte nicht entstehen können, wenn sie nicht die Folge eines tiefgreifenden, unerbittlichen und unstillbaren Bedürfnisses gewesen wäre.

Und zwar das Bedürfnis nach empfundener Erfahrung - intensiv, unmittelbar direkt, fein, einheitlich, warm, lebendig und rhythmisch. Die Entstehung abstrakter Kunst ist ein Zeichen dafür, dass es noch immer Menschen gibt, die Gefühle in der Welt geltend machen wollen.

Menschen, die es verstehen, ihre inneren Gefühle zu respektieren, und ihnen zu folgen, egal wie irrational und absurd diese auf den ersten Blick erscheinen mögen. Aus ihrer Perspektive ist es eher die soziale Welt, die manchmal irrational und absurd erscheint.

 

Für SAAR transportieren Farben selten symbolische Aussagen, sie stellen auch keine Metaphern dar, sondern sind ein simples Medium, mit dem die Künstlerin ihr sinnliches Erleben ausdrücken kann.

 

Eine Ausnahme stellt die Plastik dar, die Sie hier in der Mitte des Raumes sehen: in Saars Allegorie auf Krieg und Frieden, zeigt die Künstlerin uns unmittelbar, wohin uns der Krieg bringen wird, nämlich zu Zerstörung und Tod, weswegen wir ihn auch unbedingt stoppen müssen.

 

Ihr kreatives Prinzip in der Malerei, das Saar anwendet, ist im Grunde das, was die Psychologie als „freie Assoziation“ bezeichnen würde und was die Surrealisten, die als erste eine systematische Anwendung dieses Prinzips forderten, „psychischen Automatismus“ nannten.

 

Alles, was die empfundene Erfahrung verwässern könnte, wird über Bord geworfen, Saars Malerei entsteht ohne vorgefertigtes Konzept aus dem Prozess des Malens heraus.

 

Zurecht könnte man fragen, ob wir hier von einer Art Mystizismus sprechen. Robert Motherwell, der besonnene Theoretiker unter den manchmal recht wilden abstrakten Expressionisten aus Amerika, hat diese Frage ausdrücklich bejaht.

Ich möchte ihn an dieser Stelle zitieren: „Damit wir uns nicht falsch verstehen: Abstrakte Kunst IST eine Form von Mystizismus. Wahrheitsgemäß könnte man sagen, dass abstrakte Kunst von anderen Dingen entblößt wird, um sie zu intensivieren, ihre Rhythmen, ihre räumlichen Intervalle und ihre Farbstruktur.

Abstraktion ist ein Prozess der Emphase, also des Verdeutlichens und der Betonung — und Emphase stimuliert das Leben. Abstrakte Kunst ist ein Versuch, die Leere zu schließen, die der moderne Mensch empfindet. Abstraktion ist eine fundamental romantische Reaktion auf das moderne Leben: rebellisch, individualistisch, unkonventionell, sensibel, gereizt.“ ,so Robert Motherwell.

 

Ich mag dieses Zitat sehr gerne, da es auf den Punkt bringt, worum es in der Abstraktion eigentlich geht, und ich denke, diese Worte lassen sich auch auf die Kunst von Saar anwenden.

 

Formloses in Form bringen, so beschreibt Saar ihr Schaffen, und das tut sie auf eine wohltuend uneindeutige Weise. Diese Ambiguität ist etwas, das der zeitgenössischen Kunst heute oft fehlt, in diesen Zeiten, wo ein Kunstwerk vielfach nur noch zum Beleg für die Richtigkeit einer bestimmten These verkommt. 

 

Saars Malerei versucht, ihr Selbst an das Universum anzukoppeln, eine Verbindung mit ihm herzustellen. Saar lässt uns teilhaben an ihrem Denken, Fühlen und unbewussten Handeln, das durch ihre Malerei nach außen drängt.

 

Sie legt einen Teil ihres Innersten, ihrer inneren Landschaften und Emotionen vor uns hin und lädt uns alle ein, die grenzenlose Erlebniswelt der Künstlerin aus individuellen Perspektiven heraus zu ergründen.

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